Gewaltfreie Kommunikation, Coaching, Mediation in Hamburg.

Was ist Empathie – und was nicht?

Einer der zentralen Prozesse der gewaltfreien Kommunikation ist Empathie. Empathie, die wir für uns selbst haben oder Empathie mit einer anderen Person. Was ist eigentlich Empathie?

Empathie ist zunächst einmal eine ganze Menge nicht. Um zu verstehen, was es alles nicht ist, stellen wir uns einen kleinen Dialog vor: 2 Kollegen treffen sich, 1 Kollege kommt gerade aus einer anstrengenden Besprechung, verdreht die Augen und sagt dabei den Satz: „Oh man, Paul hat wieder geredet ohne Ende!“ Stellen wir uns nun mögliche Reaktionen des anderen Kollegen vor auf diesen Satz:

Empathie ist nicht Mitleid: „ach du Armer, du hast es aber auch wirklich schwer mit dieser Arbeitsgruppe, du tust mir so leid.“
Empathie ist nicht eigene-Geschichten-erzählen: „ja, und neulich, als ich mit dem zusammen in einer S-Bahn nach Hause gefahren bin, da hat der vielleicht einen Kram erzählt, der wurde überhaupt nicht fertig, alle haben sich schon umgedreht gehabt und dann kam da auch noch jemand dazu, der hat genauso viel geredet und als ich dann kurz eingewendet habe, …..“
Empathie ist nicht psychologisieren: „bist du so schlecht drauf, weil deine Kinder dich wieder die ganze Nacht wachgehalten haben?“
Empathie ist nicht gute-Ratschläge-geben: „da musst Du einfach mal mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen, dass dir das auf den Keks geht.“
Empathie ist nicht interpretieren und analysieren: „ich nehme an, du hast selbst nicht viel gesagt in der Besprechung. Damit gibst du Paul natürlich auch sehr viel Raum sich auszudrücken.und seine Dinge zu platzieren. Eine zwangsläufige Entwicklung.“
Empathie ist nicht loben oder schmeicheln: „ach, ich bin mir sicher, wenn das jemand hin bekommt, dann du. Wer sonst?“
Empathie heißt nicht Zustimmung: „hmmh, ja, habe ich verstanden. Geht mir auch gelegentlich so.“
Empathie ist nicht Sympathie: „du bist doch so ein netter und tougher Kerl. Mehr als du kann man doch gar nicht machen.“

Was ist Empathie denn dann, wenn es all das nicht ist?

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(c) Christel Sohnemann

Empathie schenken bedeutet, dass ich für einige Zeit in den Schuhen des anderen gehe. Empathie geben heißt, Einfühlung zu schenken: in die andere Person hinein spüren, mich für eine Zeit lang damit zu verbinden, was sie fühlt und braucht. Dabei weiß ich als Empathie-schenkende genau, dass ich die andere Person nicht bin, ich bleibe ich selbst mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen. Und doch gelingt es mir, mich ganz in die andere Person einzufühlen. Empathie geben heißt, ganz präsent sein, aufmerksam zuhören, der anderen Person den Raum geben den sie braucht und die Bereitschaft mitzubringen von der anderen Person über ihr Leben zu lernen. Echte Empathie braucht oft keine oder nur sehr wenig Worte. Wenn mir jemand Empathie schenkt, dann bekomme ich als beschenkte ganz viel Raum und Zeit für mich: dann ist da jemand, der mir wirklich zuhört, der spürt wie es mir gerade geht, der mitschwingt und präsent im Hier&Jetzt ist und nicht nebenbei Einkaufslisten schreibt oder den nächsten Tag plant. Ich habe oft erlebt, dass sich echte Empathie viel über den Körper ausdrückt und eher wenigen Worten. Empathie geschenkt zu bekommen heißt, dass man verstanden wird, dass man einfach sein kann, so wie man ist mit all dem, was hier&jetzt gerade lebendig ist. Oft ist dann, wenn die andere Person wirklich spürt, dass ihr jemand Einfühlung gibt, im Raum eine große Erleichterung und ein zur-Ruhe-kommen, ein Frieden zu spüren.

Ich habe oft erlebt, dass Empathie etwas sehr heilendes sein kann. In dem Moment, wo wir wirklich erleben, dass alles sein kann, dass da jemand ist der uns zuhört ohne zu bewerten oder zu urteilen, ohne uns zu sagen wie es geht und Ratschläge gibt, dass in solchen Momenten ganz viel aufbricht, aus einem selbst heraus bricht – gerade weil man den Raum bekommen hat sich zu öffnen. In solchen Momenten, wo die eigene Freude und der eigene Schmerz einfach sein kann, wo man bedingungslos angenommen wird mit dem, was in einem lebendig ist, wo man einfach sein darf wie man gemeint ist, auf das eigene Sein zurück kommt und das Herz sich öffnet, in solchen Momenten entsteht ganz viel: Verbindung, Vertrauen, Heilung. Und aus all dem wiederum kann neues entstehen: es finden sich neue Wege, wie wir für das, was sich da gezeigt hat, sorgen können.

Ein wunderbarer Ted-Talk von Hedy Schleifer zeigt auf sehr berührende Weise, was Empathie bedeutet: http://www.youtube.com/watch?v=HEaERAnIqsY

Dies ist ein weiterer Artikel zu den Schlüsselunterscheidungen der GFK, dieses Mal zum Thema „Was ist Empathie – und was nicht“. Die Serie wird fortgesetzt.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Was ist Empathie – und was nicht?“

  1. Avatar von Markus Castro

    Hallo Christel,

    dein Artikel gefällt mir sehr!
    Besonders, dass du nicht den häufigen Irrtum begehst, Empathie und die 4 Schritte gleichzusetzen, so als gelte es, eine Formel auswendig zu lernen.

    Danke für deine Mühe 🙂

    Markus

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