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Verschenken-Projekt

geschenkIch hatte vor einigen Tagen ein kleines Projekt zum Thema Verschenken gestartet, es lief eine Woche lang. Es war Quasi Version 0.8, ein erster Prototyp zu dem Thema. Die Idee dieses kleinen Projekts war es, jeden Tag etwas an jemanden zu verschenken. Es gab 3 Regeln für das Projekt:

  1. Verschenke jeden Tag etwas an jemand anderes. Wenn du etwas verschenkst, tue es deshalb, weil du gern etwas von ganzem Herzen geben möchtest und weil es dich freut zu verschenken. Verschenke nie aus Pflichtgefühl.
  2. Verschenke jeden Tag etwas anderes. Es gibt also keine doppelten Geschenke, auch nicht an unterschiedliche Leute
  3. Die zu beschenkende Person entscheidet allein, ob sie das Geschenk annehmen möchte. Wenn sie etwas nicht annehmen möchte, dann ist es genauso ok.

Ich habe sehr spannende Erfahrungen gemacht mit diesem Projekt.

Zunächst einmal habe ich mir am Anfang eine Liste geschrieben mit materiellen und immateriellen Sachen, die ich verschenken kann. Ich war überrascht, wie lang diese Liste wurde. Gebraucht habe ich sie dann letztendlich nicht. Es war eher so eine „Notfallliste“, falls mir einen Tag nichts einfallen sollte zu verschenken. Mir sind jedoch auch so genug Dinge in den Sinn gekommen, die ich geben konnte.

Die Erfahrungen mit dem Verschenken waren dann ganz unterschiedlicher Natur. Am ersten Tag habe ich an eine Teilnehmerrunde Schokolade verschenkt, sie haben sich alle sehr darüber gefreut. Und ich konnte es gut hören, dass eine Person die Schokolade nicht annehmen wollte, weil sie auf ihre Ernährung geachtet hat. Ich habe mich gefreut, dass sie so ehrlich war – und die Schokolade dann selbst gegessen. Durch die Ehrlichkeit wurde ich zur Beschenkten – Rollentausch I.

An einem Tag war es schon späterer Nachmittag als mir auffiel, dass ich so bewusst noch nichts verschenkt hatte. In dem Moment fragte mich ein Paar nach ihrem Weg, den ich dann gut beschreiben konnte. Mir war nach dieser Begegnung nicht mehr klar, wer jetzt eigentlich Schenkende und Beschenkte war: sie, weil sie die Wegbeschreibung von mir erhielten oder ich, weil ich ihnen etwas geben konnte und zu ihrem Wohle beitragen durfte. Die Rollen hatten sich verwoben. Vielleicht die schönste Art zu schenken für mich. Rollentausch II.

Ich habe auch Dinge versehentlich verschenkt – ohne dass ich es beabsichtigt hatte. Die Person hat es als Wertschätzung, als Kompliment aufgefasst und mir wurde erst nachher klar, dass auch das Geschenke sind.

Einen Tag hatte ich „Tag-des-Türaufhaltens“ und mir wurde klar, dass manche Menschen diese Art von Geschenk als selbstverständlich hinnehmen, manche ein höfliches „Danke“ sagen und für andere ist es wirklich überraschend-erfreulich, wenn ihnen jemand die Türe aufhält.

Ich habe während dieses Projekt auch gemerkt, welch riesengroße Freude es mir macht, Dinge aus freiem Herzen zum Wohle anderer zu geben. Es wird schnell zu etwas selbstbestärkendem: ich habe an einem Tag einfach nicht mehr aufgehört mit dem Verschenken, weil es so eine große Freude machte, wenn die andere Person sich freute.

Unangenehm ist es, wenn Personen Geschenke einfordern – dann war bei mir schnell die Offenherzigkeit und Freude vorbei. Und ich habe mich gefragt, ob ich das wohl auch gelegentlich tue?

Ich bekam auch eine Lektion im Beschenkt-werden, ein für mich sehr schwieriges Kapitel. Da sind dann schnell die alten Giftgeister auf der Bühne, die jedes Beschenkt-werden zu einer Gruselfahrt durch die Achterbahn machen. Diese Gespenster stellen Fragen wie z.B. ob ich das wohl annehmen dürfe, ob ich mich damit in eine Abhängigkeit begebe, ob die schenkende Person Hintergedanken hat und etwas von mir will? Schwieriges Thema und giftige Fragen, die einfach nur die Freude rauben können bei allen Beteiligten. Und ich habe auch erfahren, dass es nicht nur mir so geht. Auch andere Menschen vermuten Hintergedanken. Geben scheint mir leichter als Nehmen.

Was ich bei diesem kleinen Projekt auch gelernt habe ist, dass mir oftmals gar nicht bewusst ist, was ich alles zu verschenken habe. Es stärkt also auch ein wenig die Selbstwertschätzung, sich einmal Gedanken zu machen, was man alles zu geben hat.

Wie es mit dem Projekt weitergeht? Mal schauen, ich hätte Lust auf eine Version 0.9, dieses Mal vielleicht über einen längeren Zeitraum hinweg. Wer hat Lust mitzumachen und Interesse an einem Erfahrungsaustausch? Ich freue mich über Rückmeldungen.

Inspiriert haben mich übrigens 2 Videos von Nippon Mehta. Einmal hier ein Tedtalk aus dem Jahre 2012 und ein Interview, welches Otto Schramer im Februar 2015 in Berlin mit ihm führt.

Kommentare

2 Antworten zu „Verschenken-Projekt“

  1. Avatar von Matthias
    Matthias

    Wie hat sich das geäußert, als Menschen Geschenke bei dir eingefordert haben?

    1. Avatar von Christel

      Indem sie gesagt haben, dass sie das, was jemand anderes bekommen hatte, auch haben wollten von mir.

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