Wir unterscheiden in der Gewaltfreien Kommunikation zwischen 2 grundsätzlichen Arten von Gewalt. Da ist einmal die bestrafende Gewalt. Bestrafende Gewalt meint jede Form von Gewalt – in Worten, physisch oder psychisch – die darauf ausgelegt ist, jemand zu bestrafen, weil wir glauben, dass diese Person etwas falsch gemacht hat. Bestrafende Gewalt ist also immer mit Sanktionen behaftet. Diese Bestrafung hat immer etwas damit zu tun, wie wir glauben wie die Welt, eine andere Person, eine Gruppe, ein Unternehmen, ein System sein sollte. Und wenn die erlebte Wirklichkeit das dann nicht ist, dann ergreifen wir „Maßnahmen“, damit sich das ändert. Beispiele hierfür sind: Fernsehverbot für Kinder, weil sie ihr Zimmer nicht aufgeräumt haben; Kontaktabbruch zur guten Freundin, weil sie zum wiederholten Male nicht das getan hat, was wir erwarteten; kein Sex, weil PartnerIn (schon wieder) nicht zugehört hat und für einen da; „Abstellplatz“ für einen Mitarbeiter, weil er die Leistung nicht bringt, die erwartet wird; Austritt aus der Gruppe, weil man immer nur gibt aber nichts zurück bekommt; Abmahnung, weil Mitarbeiter den Anweisungen nicht gefolgt hat; Lästern und Behauptungen aufstellen über eine Person, weil sie nicht das tut, was wir wollten, …. und und und. Die Liste ist endlos und voller „Alltäglichkeiten“.
Vielleicht werden Sie sich jetzt wundern und fragen: all das soll Gewalt sein? Keines dieser Beispiele fügt einer anderen Person körperlichen Schaden zu, wie kann das Gewalt sein? Ja, es ist Gewalt. Immer, wenn wir wollen, das eine andere Person oder eine Gruppe von Personen Dinge tut, die sie nicht aus freiem Willen tun wollen, und wir versuchen diese Person oder diese Gruppe gegen ihren Willen dazu zu zwingen, diese Dinge zu tun, dann wenden wir Gewalt an. Und wenn es dabei nicht um Leib und Leben geht sondern weil wir selbst glauben, wir wüssten, wie es richtig geht, und wenn wir dann unseren Willen durchsetzen wollen ohne die Bedürfnisse der anderen Person zu berücksichtigen, dann wenden wir eine bestrafende Form von Gewalt an. Das „gewaltfrei“ in der Gewaltfreien Kommunikation bezieht sich genau auf diese Form der Gewalt. In der Gewaltfreie Kommunikation versuchen wir frei von bestrafender Gewalt zu sein.
Gibt es in der Gewaltfreien Kommunikation wirklich gar keine Gewalt?
Ganz so einfach ist es nicht. Wir unterscheiden in der Gewaltfreien Kommunikation die bestrafende von der beschützenden Gewalt. Auch in der beschützenden Gewalt zwingen wir eine Person, dass sie das tut, was wir wollen und setzen uns für einen Augenblick über die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse hinweg. Wir tun das jedoch einzig und allein zu einem Zweck: Leib und Leben dieser Person zu schützen. Beispiele hierfür sind: eine Frau, die ihren schwer verletzten Mann mit einem Rettungswagen in eine Klinik schickt, obgleich er nicht ins Krankenhaus will; ein Erwachsener, der ein spielendes Kind an sich reißt, weil das Kind der Straße mit schnell fahrenden Autos gefährlich nahe kommt. Beschützende Gewalt wenden wir dann an, wenn es keine Zeit mehr ist für Worte und Gespräche, wenn es schnell gehen muss und eine Notsituation vorliegt.
Dies ist ein weiterer Artikel in der Serie „Schlüsselunterscheidungen der GFK“. Dieses Mal zum Thema „bestrafende vrs. beschützende Gewalt“. Die Serie wird fortgesetzt.
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