Gewaltfreie Kommunikation, Coaching, Mediation in Hamburg.

Wir brauchen mehr Begeisterung!

Ich habe eben einen sehr berührenden Vortrag von dem Göttinger Neurobiologen Prof. Dr. Gerald Hüther gehört, den er dieses Jahr auf dem Hauptstadtkongress 2011 Medizin und Gesundheit im ICC Berlin gehalten hat. Er spricht darüber, wie wir wirklich nachhaltige, wirkungsvolle Veränderungen im Gesundheitswesen herbeiführen können und so, wie ich ihn verstehe, lassen sich viele seiner Aussagen meiner Meinung nach auch auf unser Bildungssystem übertragen und auf die Art und Weise, wie wir Menschen miteinander umgehen und in welcher Gesellschaft wir leben.

Er sprach davon, dass wir Gesundheit nicht aktiv herbeiführen können, er sprach von einer gelingenden Gesundheit und macht deutlich, dass ein Gelingen nicht aktiv gemacht wird. Zum Gelingen können wir nur beitragen, wir können Bedingungen erschaffen, in denen sich das Wünschenswerte ereignen kann. Gelingen kann auch ein Bildungssystem und meiner Meinung nach kann auch eine friedlichere Welt nur gelingen.

Er sprach davon, dass Gesundheit dann gelingen kann, wenn wir eine günstigere Haltung einnehmen; also uns weg entwickeln von einer Haltung, die Krankheiten herbeiführt. Diese günstigere Haltung lässt sich – so wie ich es vom Vortrag verstehe – nicht kognitiv oder emotional erlernen, wir können niemanden zwingen, eine günstigere Haltung einzunehmen. Eine günstigere Haltung kann man nur durch Erfahrungen erlangen, die auch erst einmal gemacht werden müssen.  Zu einer günstigeren Haltung kann man nur einladen, ermutigen oder inspirieren.

Und wenn ich dann diesen Satz auf unser Bildungswesen übertrage und daran denke wie unsere Schulen, Universitäten und viele Bildungseinrichtungen aufgebaut sind, ja, dann beginne ich vieles zu verstehen.

Hüther spricht davon, dass, wenn wir nicht daran glauben, dass jemand etwas schafft, dieser jemand genau das auch nicht schaffen wird. Und er führt als Beispiel Menschen an, die mit Trisomie 21 auf die Welt gekommen sind, die man vor 20-30 Jahren in Anstalten gesperrt hat, weil niemand an sie glaubte. Heute hat sich vieles verändert und wir beginnen zu glauben, dass diese Menschen etwas schaffen können und es gibt die ersten von Trisomie 21 betroffenen Menschen, die Abitur machen und studieren.

Hüther spricht weiter darüber, dass das Gehirn sich ständig weiter entwickelt. Früher hat man geglaubt, dass Gehirn entwickele sich so, wie man es  benutzt, ähnlich einem Muskel. Deshalb hat man z.B. Fremdsprachenunterricht in Kindergärten und Grundschulen eingeführt. Heute weiss man, dass das nicht stimmt: das Gehirn entwickelt sich so, wie man es mit Begeisterung benutzt. Die Frage ist also: wofür begeistern wir uns? Und wie können wir Menschen dazu bringen, dass sie sich für das begeistern von dem wir glauben, dass es gut / gesund ist für sie?

Diese Begeisterungsfähigkeit ist übrigens bei Kindern etwas völllig natürliches. Sie tragen diese Begeisterung in sich und kommen mit einer Neugierde, Offenheit, Gestaltungsbereitschaft und Kreativität auf die Welt, die im späteren Leben nie wieder so groß sein wird.

Wie können wir uns also wieder begeistern, wie können wir es erreichen, dass wir Menschen – also gerade wir Erwachsenen – Dinge mit Freude, mit Begeisterung tun? Hüther führt weiter aus, dass wir Menschen zweierlei benötigen, um unsere Potentiale voll und ganz zu entfalten: da ist zum einen die Erfahrung des eigenen Wachsens und zum anderen die Verbindung zu anderen Menschen. Er nennt es unsere Grundsehnsucht: Verbundenheit und Freiheit.

Ein Mangel an Verbundenheit und an Freiheit führt zu Leiden und die Menschen suchen sich dann Ersatzbefriedigungen. Je größer der Mangel ist, desto leichter lassen sich Ersatzbefriedigungen übrigens verkaufen und damit Geld verdienen. Ersatzbefriedigungen können ganz vielfältig sein: neben den neuesten High-Tech Geräten sind es sicherlich auch Autos, Junk-Food, um nur eine Minimalauswahl zu nennen.

Hüther führt aus, dass das Hirn die gleichen Signalmuster hat für „Schmerzen im Körper / mangelnde Funktionalität im Körper“ einerseits und „fehlende Bindung zu Menschen“ andererseits. Wir brauchen als Menschen diese Erfahrung, dass wir selbst über uns hinaus wachsen können, wenn wir gemeinsam mit anderen gestalten. Wir brauchen, so nennt Hüther es Individualisierte Gemeinschaften. Ich verstehe diesen Begriff so, dass es eine Gemeinschaft ist, in der jeder seine Individualität und seinen ureigenen „Schatz“ beitragen kann und in dieser Gemeinschaft eine Geborgenheit und ein Miteinander erfährt, in der ein jeder eben genau so sein darf, wie sie/er ist. Und dass diese Gemeinschaft dann gemeinsam etwas noch viel größeres, schöneres erbringt.

Die Frage ist also: wie schaffen wir es, diese Individualisierten Gemeinschaften zu formen (in Spiral Dynamics würde ich es als die gelbe Stufe bezeichnen)? Hüther führt aus, dass wir dazu vor allem auch ein Bedürfnis nach Sinn erfüllt brauchen. Wenn wir nicht wissen, wohin wir wollen und keinen Sinn erfahren, dann weiß ein lebendiges System auch nicht, wofür es sich gesund und am Leben halten soll. Wir brauchen also einen gemeinsamen Geist, einen gemeisnamen Familiengeist, Temageist, Gemeinschaftsgeist. Denn der Geist, der in einer Gemeinschaft herrscht, beeinflusst die Erfahrung, die diese Menschen machen können und die wiederum beeinflußt die Haltung des Menschen. Diesen Guten Geist gilt es zu nähren, denn er ist flüchtig.

Wer diesen wunderbaren und berührenden Vortrag gern selbst erleben möchte, der findet ihn unter diesen Link.


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