Gewaltfreie Kommunikation, Coaching, Mediation in Hamburg.

Macht – eine Betrachtung

In diesem Artikel möchte ich zwei unterschiedliche Verständnisse des Begriffs gegenüber stellen und den Begriff aus der „zu verteufeln Ecke“ hervorlocken um ihm ein Verständnis zu geben, welches konstruktiv und gemeinschaftlich geprägt ist.

„Macht über“ 

(c) Christel Sohnemann

 

Dieses Verständnis von Macht ist das, welches wir häufig als erstes haben, wenn wir den Begriff hören. Ihm liegt eine Hierarchie zugrunde, irgend jemand in höheren Hierarchiestufen hat Macht über jemand in niederen Hierarchiestufen. Erwachsene über Kinder („Tu dies!“, „Lass das sein“, „Räume sofort Dein Zimmer auf“), Vorgesetzte über Angestellte (Entlassen und Einstellen, Gehaltserhöhungen und Abmahnungen), Lehrer über Schüler, Pflegende über Pflegebedürftige, Gesunde über Kranke. Irgend jemand befindet sich immer in einer einflussreicheren Position, entscheidet und bestimmt über jemand anderen. Gemeinhin tut diese Person das aus einer guten Absicht heraus (nicht immer leicht zu erkennen) und macht das, was sie denkt, was gut für den anderen ist.. Was an diesem Verständnis von Macht fehlt, ist jedoch die Absicherung, ob die eigene gute Absicht, ob der eigene Wunsch nach gestalten, formen und fördern, ob das alles auch mit der Absicht des anderen übereinstimmt. An einem Beispiel erläutert: wenn ein Lehrer von einem Kind fordert, endlich mal still zu sitzen, dann geht es dem Lehrer vermutlich um Ruhe, Struktur vielleicht auch Sicherheit für sich und die Klasse. Das sind alles gute Absichten, doch das, was das Kind braucht, wird in keiner Weise bedacht geschweige denn berücksichtigt. Der Lehrer hat eine hierarchisch höhere Position und nutzt sie aus, indem er z.B. eine Strafe androht. Ein hierarchisches Gefälle wird ausgenutzt, einer ist stärker als der andere und in der Regel leidet der Schwächere darunter. Dieses Verständnis von Macht haben wir in vielen Jahren kennen gelernt, und je nach dem, welche Seite der Hierarchie wir in unserer eigenen Geschichte öfters erfahren haben , verpönen wir Macht (genug Erfahrung als Schwächerer gemacht) oder heißen sie gut (gute Erfahrungen als Stärkerer gemacht).

 

Macht-mit“ 

(c) Christel Sohneman

Es gibt ein zweites Verständnis von Macht, ich nenne es „Macht-mit“. Bei diesem Verständnis des Begriffs sind die oben beschriebenen Abhängigkeitsverhältnisse nicht aufgelöst. Doch wir gehen bewusst damit um, und versuchen, Hierarchien nicht zu leben, sondern sie durch ein „aufeinander zugehen“ und durch ein „miteinander gestalten“ aufzulösen. In einem „Macht mit“ Verhältnis, versuchen wir nicht nur unsere eigenen Anliegen durchzusetzen, sondern wir hören dem anderen zu; wir schauen, wie es der anderen Person geht und was sie braucht. Und dann versuchen wir eine gemeinsame Lösung zu finden, die allen beteiligten Personen gerecht wird. Um bei dem obigen Beispiel zu bleiben: der Lehrer könne sich beim Schüler danach erkundigen, weshalb er unruhig ist, wieso er gerade nicht still sitzen kann. Vielleicht braucht er Bewegung. Und bei der Suche nach einer Lösung gibt es nun kein „entweder – oder“, sondern ein „beides geht“: z.B. könnte im Unterricht eine Lerneinheit mit Bewegung stattfinden, vielleicht sogar draußen an der frischen Luft.

Diese Sichtweise von Macht geht also von einer Ausgeglichenheit und von einer Gleichwertigkeit aller Beteiligten aus. Es ist eine Haltung, die von Offenheit für die Person des anderen und seine Sichtweise, seine Bedürfnisse geprägt ist. Mit dieser Haltung gibt es kein „ich hab recht“ oder „du hast recht“. Wohl gibt es ein „gemeinsam finden wir eine gute Lösung, die für alle akzeptabel ist“. Es ist der Weg hin zu einem gemeinsamen Gestalten. Das erfordert eine Haltung, nicht nur sich selbst sondern auch den anderen anzuerkennen und einen jeden (sich selbst und andere) in dem zu schätzen und zu sehen, was sie beitragen und brauchen. Daraus ergeben sich nach meiner Erfahrung oft sehr kreative, neue Wege, die Menschen miteinander gehen und gestalten.

Es ist eine Sichtweise der Vielfältigkeit. Sie schätzt die Andersartigkeit der anderen Person und sieht genau dies als eine Bereicherung zu Inspiration, Kreativität und wirklich neuen Handlungsmöglichkeiten. Es ist eine Haltung des gemeinsamen Lernens und der gemeinsamen Entwicklung. Es ist eine Haltung des „Alle machen mit und tragen ihr bestes zu einer gemeinsamen Weiterentwicklung bei“.

Für mich ist dies das ansprechendere Verständnis des Begriffs „Macht“.


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